"Elektrische Fische" von Susan Kreller, Carlsen, 192 S., 15 Euro (ab 14 J.)
Spannend ist hier vor allem das, was fehlt. "Elektrische Fische" ist ein Liebesroman. Aber das Wort "Liebe" bleibt unerwähnt und zwischen Emma und Levin gibt es nur einen schnell hingehauchten Kuss. Es ist eine Familiengeschichte, aber Teile der Familie treten nie auf. Der Vater und die Großeltern väterlicherseits leben weit weg, in Dublin. Und vor allem kommt der Roman fast ohne Dialoge aus. Er erzählt vom Schweigen und Verschweigen, vom Leben aneinander vorbei.
Eng beisammen sitzen sie im Auto, im Kofferraum die wenigen Habseligkeiten. Die Mutter, die mit ihren drei Kindern zurück in ihr Elternhaus zieht, zurück in die Pampa nach Mecklenburg-Vorpommern. In jungen Jahren hatte sie heimlich geheiratet und war abgehauen, nach Irland zu einem Mann, der sich bald als rettungsloser Säufer entpuppte – aber dennoch Vater der Kinder ist, genauso wie Irland ihre Heimat. Im tristen Norddeutschland sind sie Fremde. Sie fühlen sich verloren, kapseln sich ab. Vom Dorf und voneinander.
Emma schmiedet bald Fluchtpläne, Levin aus dem Nachbarort bietet sich als ihr Komplize an. Doch je länger sich die Umsetzung verzögert, desto mehr fühlt sich das Küstenkaff nach einem Zuhause an, während Dublin verschwimmt und verblasst. Die Kunstfertigkeit, mit der Kreller dies erzählt, wie sie Sprachlosigkeit in Worte kleidet, leere Landschaften bildhaft macht, wie sie beobachtet, ohne zu bewerten, und Lakonie mit Humor durchsetzt, ist absolut außergewöhnlich. Zusätzlichen Reiz gewinnt die leise, feine Geschichte übers Weggehen und Ankommen durch den irischen Blick auf Deutschland und seine Bewohner.
Udo Bartsch
Stand: 15.03.2020
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