Eine Münchner Kaufhausdynastie

„Das Haus der schönen Dinge", von Heidi Rehn, Knaur Verl., 653 S., 9,99 Euro

München am Ende des 19.Jahrhunderts: der jüdische Kaufmann Jakob Hirschvogl sieht sich zusammen mit seiner Frau Thea am Ziel seiner Träume angekommen, 1897 eröffnen sie ihr eigenes Kaufhaus am Rindermarkt. Ihrem Konsumtempel wird die bedeutende Auszeichnung als „königlich bayerischer Hoflieferant" verliehen. Mit großer Liebe, Begeisterung und grenzenlosem Enthusiasmus betreiben die beiden ihr Geschäft. Das Warenangebot spannt sich über erlesene Lebensmittel bis zu extravaganten Parfüms und exklusiver neuester Mode aus Frankreich und Italien, aber auch Knöpfe, Stoffe und allerlei Dinge für den täglichen Bedarf können konsumiert werden. Sie zeichnen sich durch kreativen Einfallsreichtum ihrer Präsentationen und Aktionen (Soireen und Modeschauen) aus und trotz der scharfen Konkurrenz der anderen jüdischen Einzelhändler ist das Hirschvogl das angesehenste und beliebteste Kaufhaus am Platz. In den 1920er Jahren zieht Tochter Lily nach und bringt frischen Wind mit ihren Ideen und ihrem Geschäftssinn. Leider auch mit einem Nichtsnutz von untreuem Ehemann der, bei einem Stelldichein mit einem Ladenmädchen in der Umkleidekabine bei Kerzenschein, einen verheerenden Brand verursacht. Opulente Kaufhausszenen verquicken sich mit privaten und familiären Ereignissen, die Geschichte liefert ihr Übriges dazu. Als jüdischer Kaufmannsfamilie ist das Ende ihrer Ära mit dem Einzug der Nationalsozialisten besiegelt. Ein dramatischer und hochemotionaler Beziehungs- und Gesellschaftsroman, der eine glamouröse Zeit des nostalgischen Kaufhausflairs lebendig werden lässt. Die Streifzüge durch den Konsumtempel lassen eine Einkaufswelt auferstehen, wie man sie nur noch aus Filmen kennt. Die teilweise sehr großen Zeitsprünge ab der Mitte des Romans sind wohl den dichten geschichtlichen Ereignissen geschuldet, stilistisch durchaus noch vertretbar. Die gelungene Kultur- und Zeitgeschichte im Herzen Münchens ist absolut lesenswert!
Chriso