Erfolgsregisseur Sönke Wortmann über den dritten Komödienstreich „Der Spitzname"
Mit der Verwechslungskomödie „Der bewegte Mann" landete er den großen Coup. Die Erfolgsserie des Sönke Wortmann, 65, ging weiter: „Das Wunder von Bern", „Der Campus" sowie die WM-Dokumentation „Deutschland, Ein Sommermärchen", die zum Millionenerfolg avancierte. Nach der Gesellschaftssatire „Contra" präsentiert der Sohn eines Bergmanns nun mit „Der Spitzname" den dritten Streich seiner Namen-Komödie. Zuvor sorgten „Der Vorname" und „Der Nachname" für ein Millionenpublikum. Mit dem Regisseur unterhielt sich unser Mitarbeiter Dieter Oßwald.
Doppelpunkt: Herr Wortmann, die naheliegende Frage: Welches war oder ist denn Ihr Spitzname?
Wortmann: Also ganz ehrlich, ich hatte gar keinen. Das liegt wahrscheinlich an meinem Vornamen, der sich schlecht abkürzen lässt. Und auf „Worti" oder „Manni" ist keiner gekommen, worüber ich ganz froh war.
Doppelpunkt: Wie halten Sie es mit der Gender-Sprache? Die wird im Film bisweilen ziemlich durch den Kakao gezogen...
Wortmann: Ich finde nicht, dass wir Gendern durch den Kakao ziehen. Es gibt im Film ja die beiden Sichtweisen. Die eine wird von der Figur von Christoph Maria Herbst vertreten, also der älteren Generation, die Gendersprache überhaupt nicht gut findet. Auf der anderen Seite steht Teenager Antigone, die gute Argumente dafür bringt. Ich möchte das gar nicht bewerten, sondern nur gegenüberstellen.
Doppelpunkt: In „Contra" hatten Sie sich zuletzt recht deutlich gegen die Cancel-Kultur ausgesprochen. Führt übertriebene politische Korrektheit in Sackgassen und dem Entstehen von eigenen Blasen?
Wortmann: Ich habe leicht reden, weil ich keiner Minderheit angehöre. Ich bin alt, weiß und männlich, und deshalb hatte ich nie Probleme. Ich habe mich nie diskriminiert gefühlt. Dennoch ist es wichtig, die Menschen ernst zu nehmen, die solche Erfahrungen gemacht haben. In diesen Fällen sollten wir Kompromisse finden. Ich finde, das Ganze ist ein wenig ausgeufert. Natürlich. Aber das liegt vielleicht in der Natur der Dinge, dass das Pendel zunächst weit ausschlägt. Ich glaube, dass es sich in Zukunft etwas beruhigen und der Umgang mit Gendern entspannter wird.
Doppelpunkt: Es gibt im Film diesen Satz „Du hast doch noch nie für etwas gebrannt". Wofür haben Sie selbst gebrannt?
Wortmann: Naja, ich habe für viele Dinge gebrannt, abgesehen vom Fußball – für Film, für Familie und für Freundschaft. Politisch betrachtet habe ich ebenfalls ein Engagement gezeigt. Ich war aktiv bei Demos und habe mich für bestimmte Anliegen eingesetzt. Insofern kann ich sagen, dass ich für verschiedene Dinge Leidenschaft empfunden habe
Doppelpunkt: Wie weit hat sich das Genre Komödie verändert durch diese ganzen TV Comedians, die viel härter zuschlagen? Oder auch durch TikTok und Co? Ist der Humor brutaler geworden?
Wortmann: Das kann ich gar nicht beantworten, weil ich in Sachen Social Media überhaupt nicht up to date bin. Ich schaue ab und zu mal bei Instagram rein, aber das mache ich nur, um zu sehen, was meine Kinder so treiben. Ansonsten ist mir das nicht aufgefallen. Aber wie gesagt, ich könnte es auch gar nicht wahrnehmen, da ich in diesem Bereich komplett außen vor bin.
Doppelpunkt: „Der Spitzname" ist die Fortsetzung einer Fortsetzung einer Komödie, die ihrerseits ein Remake war. Gibt es bei Komödien einen Sauerkraut-Effekt: Aufgewärmt schmeckt besser?
Wortmann: Stimmt, bei Suppen und Gulasch gilt dieses Prinzip ebenfalls. Das ist ein sehr schöner Vergleich, das merke ich mir mal. Tatsächlich fängt bei einer Fortsetzung dieser Effekt bereits beim Lesen des Drehbuchs an: Da hat man die Figuren und ihre Darsteller bereits im Kopf. Es ist einfach viel witziger, wenn man schon beim Lesen bereits weiß, wie Christoph Maria Herbst das spielen wird.
Doppelpunkt: Wie groß ist die Gefahr der Routine? Auf dem Regiestuhl den Autopiloten einzuschalten?
Wortmann: Einen Film zu drehen, ist nie Routine. Sobald eine Kamera am Set ist, wird es für alle Beteiligten immer noch aufregend.
Doppelpunkt: Hat die große Begeisterung für Komödien auch damit zu tun, dass es in den aktuellen Zeiten eher wenig zu lachen gibt?
Wortmann: Reine Unterhaltung scheint aktuell schon sehr wichtig für die Menschen zu sein. Gemeinsames Lachen mit völlig fremden Menschen ist ein wunderbares Erlebnis, das es so eben nur im Kino gibt.
Doppelpunkt: In einer Szene spielt der Teenager das Lied „Menschen wie wir" auf seiner Gitarre. Das wirkt wie eine kleine Haltestelle zum Nachdenken. Wie kam es zu der ungewöhnlichen Idee?
Wortmann: Generell finde ich, dass eine Komödie immer dann besonders gut sein kann, wenn sie nur einen Schritt von der Tragödie entfernt ist. Diese Balance ist wichtig, und nachdenkliche sowie ruhige Momente tun jeder Komödie gut. Jona Volkmann kam zum Casting, bei dem alle Bewerber ihre Gitarre mitbringen mussten. Er hat gefragt: ‚Soll ich mal etwas Eigenes spielen?' Da habe ich gedacht: ‚Ja klar, gerne etwas Eigenes.' Als er dann seinen Song spielte, hat das alle umgehauen. Ich dachte mir: ‚Das ist viel zu gut, um nicht genommen zu werden.'
Doppelpunkt: Was hat es mit der Szene in der steckengebliebenen Gondel auf sich, die ein bisschen an Hitchcock und James Bond erinnert?
Wortmann: Die beiden Vorgängerfilme waren richtige Kammerspiele. Jetzt haben wir das Ganze etwas aufgelockert und in mehrere Schauplätze verlegt, wie zum Beispiel auf die Skipiste. Aber das letzte Viertel des Films spielt komplett in der Gondel. Kammerspielartiger kann man gar nicht werden, weil der Raum sehr eng ist und keiner weg kann. Bei den Vorgängerfilmen hatten die Charaktere die Möglich-keit, in die Küche oder in den Garten zu gehen, um eine zu rauchen; es gab immer eine Fluchtmöglichkeit. Das wollten wir jetzt auf die Spitze treiben und haben ein Viertel des Films in der Gondel spielen lassen.
Doppelpunkt: Die Gondel gerät zudem zum Schauplatz, an dem das große Geheimnis von Teenager Cajus enthüllt wird - was man so wohl kaum erwartet hat.
Wortmann: Wir haben überlegt, was sein Geheimnis sein könnte. Viele rechnen mit einem homosexuellen Comingout, aber das wäre in der heutigen Zeit etwas, womit man eher nicht mehr überrascht. Es wäre kein Skandal, wenn er sagen würde: 'Papa, ich bin schwul.' Daher wollten wir das nicht machen, sondern lieber den Kreis schließen. Es ist ja eine Namens-Trilogie und die Auflösung des Geheimnisses passt gut dazu.
Doppelpunkt: Apropos Coming-Out. „Der bewegte Mann" hat in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag. Haben Sie das Jubiläum gefeiert?
Wortmann: Ist das wirklich schon 30 Jahre her? Dieses Datum ist mir tatsächlich entfallen. Voriges Jahr haben wir 20 Jahre „Das Wunder von Bern" gefeiert mit den Schauspielern und der Crew. Das war sehr schön. Aber ich denke lieber nach vorne als zurück.
Doppelpunkt: Bringt die Zukunft einen vierten Streich der Familien-Farce?
Wortmann: Ich glaube nicht, da fehlt mir jetzt die Fantasie. Eine Trilogie ist ja etwas sehr Feines, dieser Dreiklang ist allen gut vertraut. Wobei ich nach dem zweiten Teil auch nicht damit gerechnet hatte, dass wir noch einen dritten machen. Stand heute würde ich jedenfalls sagen: Unwahrscheinlich.
Doppelpunkt: Noch eine weitere Zukunftsfrage nach Künstlicher Intelligenz. Irgendwann heißt es im Film: „Klingt ein bisschen so, als hätte es eine KI geschrieben. Jedenfalls nicht die Bezahlversion." Wird KI auch das Kino revolutionieren?
Wortmann: Für mich kommt KI nicht in Frage, entweder man kann selber was erfinden oder man lässt es. Wobei ich mich damit noch nicht so sehr beschäftigt habe. Ich habe das Gefühl, es gibt mehr Nachteile als Vorteile dabei. Wobei ich zugebe, dass ich Themen wie KI, AfD oder Donald Trump ganz gerne verdränge.
Doppelpunkt: Ihrer Karriere lief so gut wie bei kaum einem anderen Filmschaffenden hierzulande. Wollen Sie noch irgendetwas beweisen?
Wortmann: Nein, aus dem Alter bin ich raus.
Dieter Oßwald
Stand: 25.11.2024
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