Anselm - Das Rauschen der Zeit

Kinostart: 12.10.; Regie: Wim Wenders
Darsteller: Anselm Kiefer

Am Anfang ist das weiße Kleid. Es steht in der einsamen Natur bei Sonnenaufgang. Wenig später sieht man andere Kleider in einer großen Halle. Danach der Blick in ein riesiges Atelier mit gigantischen Leinwänden, durch das der Künstler sich mit dem Fahrrad bewegt. Anselm Kiefer heißt der Mann und er gilt als einer der bedeutendsten lebenden Maler des Landes. Porträtiert wird er von Wim Wenders, seinerseits einer der wichtigsten Filmemacher der Republik. Künstler-Koloss trifft Künstler-Koloss, da muss schon 3D her, um rigoros die Genialität einzufangen. So wie einst beim Porträt von „Pina" Bausch. Kleine Karos sucht man hier vergeblich, Wenders will Visionen, verweigert sich bewusst den üblichen Biografie-Regeln. Kein Plaudern über Privates, keine Nebensächlichkeiten: Das Werk ist das Ziel. Im dreidimen-sionalen Raum ist das Publikum stets mittendrin, statt nur dabei bei dieser Expedition in diese wilde Welt des Anselm Kiefer. Der bearbeitet seine meterhohen Gemälde schon mal radikal mit dem Flammenwerfer, um sie dadurch altern zu lassen. Vielfach kommt Kiefer zu Wort, nicht in gängigen Interviews, sondern als Voice Over erklärt er seine Sicht der Welt. Und er nimmt auch Stellung zu den Vorwürfen zu seinem einst provokativ inszenierten Hitler-Gruß. In Rückblenden gibt es die Kindheit des Maestros. Zum einen dokumentarisch, zum anderen nachgespielt von Anton Wenders, dem Großneffen des Regisseurs. „Einen Film wie ‚Anselm' habe ich noch nie gemacht. Den hat es auch nie zuvor gegeben.", sagt Wenders. Genau darin liegt der Kick bei diesem doppelten Künstler-Coup. Kino zum Staunen - das dürfte auch James Cameron, wenn er sieht, welche wahre Wucht 3D tatsächlich entfalten kann. Zu Weihnachten kommt schon der nächste Wenders: Dort dokumentiert er dann die netten Toiletten von Tokio!
Dieter Oßwald