Film
 

„Spielt nicht Fake! Spielt nicht auf Sicherheit!"

Aus meiner Haut - Mala Emde, Jonas Dassler

Jungstar Jonas Dassler zur Körpertausch-Dramödie „Aus meiner Haut"

Er gehört zu den großen Nachwuchstalenten des deutschen Kinos. Vom Bayerischen Filmpreis über den First Steps Award bis zum European Shooting Star auf der Berlinale reicht der Karriere-Kickstart des 26-jährigen Newcomers, der von der Schauspielschule Ernst Busch direkt zum Ensemblemitglied am Maxim Gorki Theater Berlin avancierte. Zu seinen Filmen gehören „Das schweigende Klassenzimmer" von Lars Kraume, „Werk ohne Autor" von Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck oder „Der Goldene Handschuh" Fatih Akin, wo Dassler den Hamburger Frauenmörder Fritz Honka spielt. Nun präsentiert er sich sensibler. In „Aus meiner Haut" spielt er den Helden, der mit seiner Freundin die Körper tauscht. In Venedig wurde das Debüt von Alex Schaad prämiert und eröffnete das renommierte Max-Ophüls-Festival von Saarbrücken. Mit Jonas Dassler, der aktuell als Dietrich Bonhoeffer vor der Kamera steht, unterhielt sich unser Mitarbeiter

Doppelpunkt: Herr Dassler, in einem Dialog jubelt der andere Mann nach dem Körpertausch mit Ihnen: „Ich sehe zum ersten Mal aus wie ein junger Gott. Und habe einen Waschbrett-Bauch" - sehen Sie sich auch so?
Dassler: Da wird ja aus der Figur heraus gesagt. In der Vorbereitung sprachen wir viel über die Körper dieser Rollen. Tristan sieht asketisch aus, Mo hat den viel verschwenderischen Körper. Nach dem Körpertausch wird Mo die Differenz zu dem Adonis-Bild erst deutlich - eine Erfahrung, die Tristan gar nicht kennt. Er wird zum ersten Mal darauf aufmerksam gemacht, irgendeiner Form von Schönheitsideal zu entsprechen. Der Körper von Tristan dient einer Sache und nicht einem Ideal. Viel Kaffee, viel Gitarrenspiel und kaum Zeit zu essen. In seinem Körper liegt also bereits die Biografie, um den späteren Tausch spürbar werden zu lassen.
Doppelpunkt: War es für Sie leichter, die Figur des Tristan zu spielen als den Mo?
Dassler: Leichter würde ich nicht sagen. Für mich war dieser Film eine lange Reise, die tatsächlich Spaß gemacht hat. Die Idee war: Wie entwerfen wir Figuren, die auch körperlich unterschiedlich sind? Die weit davon entfernt sind, wie ich mich als Jonas privat bewege. Wir wollten mit Körpersprache Figuren erschaffen, die so ikonografisch sind, damit ein anderer sie übernehmen kann. Es war wie die Übergabe eines Staffelstabes unter Schauspielern.
Doppelpunkt: Wie exhibitionistisch muss man sein für Sex vor der Kamera? Sex zwischen Männern war selten so sinnlich auf der Leinwand zu sehen.
Dassler: (Lacht) Das freut mich zu hören. Ich hatte das Gefühl, dass es eigentlich eine Meditation über Körper ist. Darin liegt für mich das Thema des gesamten Films: Was sind Körper? Was ist im Körper überhaupt eingespeist? Krass konfrontiert werden wir damit beim Sex, wo es ja um körperlichen Austausch geht. Und gleichzeitig um einen sinnlichen Austausch. Für mich ist das gar nicht eine Sex-Szene von zwei Männern, sondern zwischen zwei Körpern und zwei Menschen. Dabei geht es um das Herausfinden über eigenen also auch über den anderen Körper.
Doppelpunkt: Vom Frauenmörder zum Frauenkörper. Sind riskante Rollen der Kick für Sie?
Dassler: Ich kenne meinen Schauspielpartner Dimi, den Bruder von Regisseur Alex, schon richtig lange. Dimi war damals mein Dozent an der Schauspielschule Ernst Busch. Durch ihn lernte ich die wichtigste Schauspiel-Lektion überhaupt. Er erzählte von diesem russischen Eislauf-Paar, deren Nummern stets hart an der Grenze des Machbaren waren. Für sie gab es immer nur die Möglichkeit Null Punkte oder volle Punktzahl. „Und so müsst ihr spielen", erklärte uns Dimi. „Spielt nicht Fake! Spielt nicht auf Sicherheit!". Für mich ist es sehr interessant, aus seiner Komfortzone auszubrechen. Und mich in ein Territorium zu begeben, das mir völlig fremd ist.
Doppelpunkt: Sie haben bereits einen Sack voll wichtiger Preise gewonnen. Beim Filmfestival Venedig kam nun der „Queer Lion" hinzu. Hat das eine besondere Bedeutung für einen heterosexuellen Schauspieler?
Dassler: Dieser „Queer Lion" hat mich schon sehr berührt. Die Autorin, Dimi und Alex haben erstmal keinen queeren Background, sie berühren das Thema der Geschlechteridentität für mich immer aus der Geschichte des Körpertauschs heraus und den Figuren. Das eine queere Jury und somit Menschen, deren Lebensgeschichte fundamental von der Frage der Geschlechtsidentität geprägt ist nun diesen Film prämiert, empfinde ich als sehr bewegend.
Doppelpunkt: Wie viel provokatives Potenzial steckt in dem Film, den der Regisseur als „magischen Realismus" versteht? Man könnte behaupten, am Ende wäre die Frau als Mann ja glücklicher?
Dassler: Die Magie dessen, was der Film für einen bedeutet, kann das Publikum für sich selbst herausfinden. Wie provokativ das vermeintlich sein mag, liegt im Auge des Betrachters.
Doppelpunkt: Haben Sie durch den Film etwas Neues über Ihre eigene Identität gelernt?
Dassler: Ich drehe dreißig Tage lang einen Film, das ist ein Monat meines Lebens. Natürlich beeinflusst mich das. Die „Was bin ich"-Frage stellt sich für mich im privaten Leben so oder so. Bei diesem einzigartigen Beruf kommt hinzu, als Schauspieler den Ausflug in den Körper eines anderen Menschen zu wagen. Es geht nicht mehr um mich, sondern um die Figur. Ich habe damit die Möglichkeit, egobefreit Themen zu erforschen. Wenn das Ego eine kurze Pause macht, merkt man erst, was man ohne diese Bewertungsmaschine alles erkennen kann.
Doppelpunkt: Mit wem würden Sie gerne einmal tauschen?
Dassler: Ich muss gar nicht tauschen. Ich finde das schon ganz okay mit meinem Körper. Wichtig finde ich, sich dem täglichen Risiko des Lebens bewusst zu sein. Was für mich heute noch sicher ist, ist es morgen vielleicht schon nicht mehr. Man konzentriert sich auf vermeintliche Sicherheiten, eine Beziehung, eine Wohnung, einen Job. Und denkt nicht an die Risiken. Entscheidend finde ich, die Unsicherheit des Lebens nicht als Gefahr zu sehen, sondern als Bereicherung. Die richtige Balance dabei zu finden, ist eine lebenslange Aufgabe.
Doppelpunkt: Sie gehören zum Ensemble des renommierten Maxim Gorki-Theaters - nennt man die Schauspieler tatsächlich Gorki-Spieler?
Dassler: Kann man sagen - aber eigentlich haben wir alle Namen! (Lacht)

Dieter Oßwald

Stand: 29.01.2023

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