Nico, 1988

Länge: N Min

Filmstart: 19.7.; Regie: Susanna Nicchiarelli
Darsteller: Trine Dyrholm, John Gordon Sinclair, Anamaria Marinca, Sandor Funtek u.a.

Das nennt man mal europäische Zusammenarbeit: Eine italienische Regisseurin dreht als italienisch-belgische Koproduktion einen Film über eine Deutsche, gespielt von einer Dänin. Die Deutsche, das ist Christa Päffgen, besser bekannt als Nico. Päffgen, 1938 in Köln geboren, avancierte Mitte der 50er-Jahre zu einem der erfolgreichsten Models der Welt, was sie schließlich nach New York City und in Andy Warhols „Factory" brachte. Dort war sie maßgeblich als Sängerin am berühmten Debütalbum mit der Banane von The Velvet Underground beteiligt. Bald darauf machte sich Nico als Sängerin mit vielen selbstgeschriebenen, meist sehr depressiv klingenden Liedern selbstständig.
Der Film setzt 1987 ein, Nico (Trine Dyrholm) ist Ende 40 und immer noch auf Tour, abgeklärt, der Popularität müde – und drogensüchtig. Mit ihrer Band und Manager Richard (John Gordon Sinclair) ist sie auf Tour in Italien, Deutschland – und die Tschechoslowakei, also jenseits des eisernen Vorhangs. Die glorreiche Vergangenheit möchte sie am liebsten abstreifen, weil sie von vielen immer nur auf sie reduziert wird. Männer wie Lou Reed oder Andy Warhol spielen in ihrem Leben keine Rolle mehr, nur noch einer: ihr Sohn Ari (Sandor Funtek), der Vater: Alain Delon. Großgezogen hat sie ihn nicht, was sie jetzt bitter bereut. Nico will ihm eine Mutter sein und besucht ihn in einer Klinik, nachdem Ari einen Suizidversuch unternommen hat.
Autorin und Regisseurin Susanna Nicchiarelli gelingt das tief gehende, mitreißende Porträt einer ganz besonderen Frau, die das Gestern hinter sich lassen möchte und wohl vor allem eines sucht: Seelenfrieden. Behilflich ist Nicchiarelli dabei Trine Dyrholm („Das Fest", „Love is All You Need") mit ihrer sensationellen Performance. Nicht nur, dass sie mit der Privatperson Nico zu verschmelzen scheint, sie trägt die Songs der Deutschen als gelernte Sängerin auch selbst vor – und wie! Dieser ehrliche, ungeschönte Blick auf die Künstlerin, der hätte Nico sicherlich gefallen. Sie starb im Juni 1988 nach einem Fahrradsturz auf Ibiza.

Martin Schwarz