Entstanden in der Blütephase der Cottbuser Musikszene und in Berlins Garagen neu zusammengesetzt, steht das Quartett Kanal mit Dennis Depta, Gitarre, Benjamin Buder, Schlagzeug, Tobias Buder, Gesang, Gitarre, Klavier, Synthis, Text und Komposition, Sarah Renner, Gesang, Violine, Klavier, und Okan Bieber, Bass, für bildgewaltige, deutschsprachige Rockmusik. Auf ihrem vierten Album "Nostalgia" (Tangrami Records/Rola Music) lösen sie sich "vom nostalgischen Klimbim ins offene Ungewisse", wie sie erklären. Zwischen Asia Döner Senftenberg und Globe Theatre singen sie Gegenwartshymnen für eine neue Gesellschaft, und saugen Elemente von Einstürzende Neubauten, Arcade Fire, Dead Can Dance, Lana Del Ray, Wolf Biermann, Can, Get Well Soon, Modest Mouse und Herbert Grönemeyer auf. Warum "Nostalgia": Svetlana Boym unterscheidet in ihrem Buch „The Future of Nostalgia" zwei Formen der Rückwendung. Die eine versucht das Erinnerte zu restaurieren und wiederaufzubauen. Denkt man an das neu errichtete Berliner Schloss, oder an die um sich greifende Manie der Wiederherstellung von zerfallenen Großmachtgrenzen, sollte dieser Gedanke schnell einleuchten. Dabei wird neu aufgebaut, was lange schon verschwunden war. Die Kopie verdrängt das Original. Diese Form der Nostalgie ist destruktiv, denn sie zerstört die Erinnerung. Sie ist ein Privileg der feigen und rachsüchtigen Charaktere, die ganz fest daran glauben, noch eine Rechnung offen zu haben. Die andere, freundlichere Seite der Nostalgie lässt das Erinnerte in der Vergangenheit und erkennt seine Vergänglichkeit an. Die Risse werden nicht verspachtelt, die Falten nicht geglättet, die Fotos nicht bearbeitet. So lebt das Vergangene und bleibt anwesend. "Die Lieder auf unserem neuen Album wandern durch diese unterschiedlichen Farbtöne der Nostalgie. Mal beklagen sie die Reproduktion eines verlorenen Menschen in der Erscheinung eines Androiden und mal setzen sie sich an den Tisch der Großmutter, dann fahren sie auf klapperigen Rädern durch die Feierabend-stadt, um gleich darauf über die größten lebenden Nostalgiker – den Schwurblern - in lautes Lachen auszubrechen", erläutert die Band zu ihrem konzeptionellen Über-bau.
Jürgen Parr
Stand: 16.12.2024
Artrock-Musiker John Cale zeigt sich einmal mehr als Musiker dieser Zeit - am 12.3. im Markgrafensaal in Schwabach.