Der Offenbacher Haftbefehl liefert wenige Monate nach seinem „Weißen Album" Nachschub aus den Niederungen von Randexistenzen, Gangster-Rap-Klischees und Prekär-Parallelwelten. „Das schwarze Album" (Urban/Universal) ist die düstere, depressiv-dystopischere Fortsetzung. Drogen, Arbeits-, Ausweg-, Hoffnungslosigkeit, Suizidgedanken sind die nüchterne Lebensrealität und zentrale Themen, in harte Reime und krasse Lyrics gepresst, im Hafti-Stakkato-Stil hinausgerotzt, in brachial-knochentrockene Beats eingwickelt. Natürlich hat Aykut Anhan, in einem Plattenbau-Viertel in Offenbach am Main groß geworden, tatsächlich viel Mist erlebt: Gerade 14 Jahre alt, nimmt sich sein Vater das Leben, danach bricht er die Schule ab, fängt an, mit Drogen zu dealen, sitzt im Jugendarrest und ist 2006, um einem offenen Haftbefehl zu entgehen, in die Türkei abgetaucht. Er erzählt in 13 Songs von kaputten Aufzügen, Crackküchen, finsteren Gedanken im Kopf, schlechten Vierteln in Offenbach. Der Babo ist wieder zurück am Block: Silben wie Sprengsätze, Zeilen wie Filme, manchmal hyperklischeehaft, sexistisch, platt-plump, zwischen Attitüde und Plattitüde sind es of nur Millimeter, alles Echt oder nur polarisierendes Metapherngeschüttel, weil es die Zielgruppe erwartet? Von allem etwas, auf alle Fälle von Beatmaster und Soundtüftler Bazzazian wieder mit Wucht eingefangen und immer noch eine ganz eigene Deutsch-Rap-Liga, auch wenn der zweifache Vater heute hauptberuflich eher Häuslebauer in Stuttgart ist und sein Dasein nicht mehr in Hochhäusern in Offenbach mit Crackhöhlen und Koksmanufakturen fristet. Ist das jetzt Kunst - oder kann das weg?
Jürgen Parr
Stand: 24.05.2021
Am 25.4. verbindet Mine im E-Werk vielfältige Einflüsse mit verschiedenen Sounds und Instrumenten – Alles außer langweilig!