Tief in die eigene Familiengeschichte taucht der britische Produzent und Musiker Leon Vynehall auf seinem Debütalbum „Nothing Is Still" ein. Erst nach dem Tod seines Großvaters 2014 erfuhr er von der Auswanderung seiner Großeltern aus Südostengland in das New York der 1960er Jahre. Aus den vielen Gesprächen mit seiner Oma will er dann so viel wie möglich über die eigene Familiengeschichte herausfinden, um sie in sein Album einfließen zu lassen, was er auch in eine 150-seitige Novelle und diverse Kurzfilme umsetzt. Vynehall hat die Stücke komplett selbst geschrieben und – bis auf Finn Peters (Saxophon und Flöte), Sam Beste (Klavier) und ein zehnköpfiges Streicherensemble – auch größtenteils selbst eingespielt. Bisher eher als coole DJ-Socke aufgefallen, der extremst von Funk-, Soul- und Hiphop-Tapes seiner Mutter beeinflusst ist, verbindet er die hochemotionale großelterliche Geschichte zu einem artifiziellen, supersonischen Soundkonstrukt, das sehr wenig von Deep House, Bass- und Clubmusik vergangener Tage hat, sondern atmosphärisch verdichtete elektronische Soundtexturen verwebt, die minimalistischen Komponisten Philip Glass, Terry Riley und Gavin Bryars nahe sind, und eher von Nachdenklichkeit und Grautönen geprägt sind. Inspiriert von der Stimmung und dem Gefühl jedes Kapitels der Novelle hat Leon Musik komponiert, die die Stimmung, Emotion und den Fluss der Geschichte vermittelt, die Elektronik, Klassik und Minimalismus verbindet, eher Soundtrack und Filmscore, als Einzeltitel sind. Nur bei „English Oak" blitzt für ganz kurz Deep House und Minimal Techno auf. Eine ambitionierte Soundreise auf den Spuren der eigenen Familie, die so gar nichts mit dem frühen Club-Leon zu tun hat.
Jürgen Parr
Stand: 17.06.2018
Am 25.4. verbindet Mine im E-Werk vielfältige Einflüsse mit verschiedenen Sounds und Instrumenten – Alles außer langweilig!