Björk

Mit dem putzig-kauzigen isländischen Ex-Zuckerwürfel Björk war es noch nie ganz einfach. Waren doch so gut wie alle Alben ihrer Karriere anstrengende Gesamtkunstwerke, auf denen sie immer irgendwelche Themen therapeutisch abarbeiten musste. So verarbeitete sie auf ihrem letzten Album „Vulnicura" die Trennung von Partner Matthew Barney, durchlitt sämtliche emotionale Stadien zwischen Trauer, Melancholie, Verzweiflung und Hoffnung. Auf ihrem neuen Ausflug „Utopia" erzählt sie nun von ihrer Selbstheilung, die Leere nach der gescheiterten Beziehung sieht sie als Wendepunkt in ihrem Leben. Um ihre selbsttherapierende Session in adäquate Sounds zu kleiden, hat sie sich wieder mit dem venezolanische Musiker und Produzent Alejandro Ghersi alias Arca verstärkt, zudem hat sie die Flöte als Leadinstrument in ihrer neuen, farbenfrohen Utopia-Welt entdeckt. Björk stellte ein aus zwölf Frauen bestehendes Flötenorchester zusammen, deren Arrangements in verschiedenen Kirchen in Reykjavik eingespielt wurden. Ihre futuristisch-intergalaktisch-atmosphärischen Klanglandschaften zwischen Elektronik und Esoterik waten monumental-sakral zwischen akustischer, kindlicher Wärme und elektronischer Experimentierfreude, dazu ihre unvergleichliche Stimme, die kraftvoll-trotzig-verzweifelt-verletzlich ihre Themen artikuliert. Ihre Texte drehen sich um die Liebe und Beziehungen im Konkreten und Allgemeinen, ihre vielschichtige visuelle, klangliche und inhaltliche Symbolik lässt wie immer reichlich Raum für allerlei Interpretationen, Analysen und Deutungen, letztendlich sprechen Titel wie „The Gate", „Utopia", „Body Memory", „Loss", „Sue Me", „Tabula Rasa" „Paradisia", Future Forever" eine eindeutige programmatische Sprache. Björks Wiederentdeckung der Liebe, eingebettet in eine futuristisch-abgehobene Düster-Dramatik-Elektronik weist bei aller inhaltlichen Anspannung eindeutig den Weg ins Licht, den Blick nach vorne, auch wenn sie noch nicht alle Dämonen besiegt hat.

Jürgen Parr