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Sam Morton

Sam Morton_Daffodils Dirt_Cover

Ein eher exotisches Projekt: Das ungewöhnliche Duo Sam Morton bestehend aus der mehrfach für den Oscar nominierten Schauspielerin Samantha Morton („Control", „Synecdoche, New York", „The Whale") und XL Recordings-Miteigner und Produzent Richard Russell (Gil Scott-Heron, Ibeyi, Bobby Womack) wandern auf dem Debüt „Daffodils & Dirt" (XL/Beggars) in Mortons Biographie und schaffen zwölf spartanisch-subtil arrangierte Tracks, die ein semi-fiktionales Portrait ihrer Vergangenheit zeichnen. Als Gäste unterstützen u. a. Alabaster DePlume, Laura Groves, Jack Peñate und Ali Campbell. Während ihrer Kindheit in Nottingham zog Sam von einem Kinderheim zum nächsten, lebte mal bei Pflegeeltern, mal schlief sie im Freien, mit ihren Habseligkeiten in einer kleinen Plastiktüte. Aber das Album ist keine bloße Erinnerung an eine schwierige Vergangenheit, manchmal scheint es, als ob Sam zurück ist und in das Damals eintaucht, die Musik dabei als körperliche Erfahrung. Das Cover nimmt einen in die Mitte der Achtziger in Nottinghams Broxtowe-Bezirk mit, als Sam dort aufwuchs. Russels Soundscapes sind das Setting für Mortons zarte, dreampoppig, mystisch-ätherisch-wandelnde Erzählstimme zwischen Spoken Word und Hingehauchtem im Wechselbad intensiver Empfindungen. „Sam Morton", betont die Sängerin, „das bin aber nicht ich. Es ist ein Bandname. Wir sind ein Duo." Das Projekt entstand schon im Oktober 2020 zwischen den Lockdowns als Sam in der Radiosendung „Desert Island Disc" zu Gast war und Russell zufällig zuhörte. Begeistert von den von Sam ausgewählten Stücken sprach ihn auch ihre Art zu erzählen stark an. „Da war diese Zähigkeit und Offenheit, die mich ansprach. Eine Positivität." Russell kontaktierte Sam, bald tauschten sie musikalische Skizzen und Lyrics aus. Schließlich trafen sie sich im Frühjahr 2022 im Copper House, Russells Studio. Morton hatte keine großen Erwartungen an die Zusammenkunft. "Es fühlte sich an, als sei ich mein Leben lang zum Schweigen gebracht worden und dann sagte jemand zu mir: Du darfst nun sprechen." „Einige dieser Dinge sind autobiographisch. Aber andere sind es nicht. Ich teile sie mit Richard und er ergänzt sie oder nimmt etwas weg. Er findet etwas Neues darin. Es ist also nicht so: Dies ist meine Vergangenheit und ich singe darüber. Nein. Die Sache ist in Fiktion verwandelt, in eine Erzählung." Indem sie mit Russell arbeitete, konnte sich Sam in den Schmerz und die Dysfunktion ihrer Kindheit versetzen und daraus etwas komplett Neues machen. Die persönlichen Songs sind ätherisch-zerbrechlich und mantraartig, als ob sich Sam durch ihren Gesang die Vergangenheit austreiben könnte. Im letzten Stück „Loved by God", das Morton im Alter von sieben oder acht als Gebet schrieb, hören wir eine Frau, die sich bewusst ist, dass sie Teil von etwas Größerem ist, einer Macht, die immanent ist, deutlich präsent im Hier und Jetzt. Daher überrascht es nicht, wenn Sam sagt, „dass der Gesang - die menschliche Stimme - eine direkte Verbindung zu Gott ist". Ein intensives kathartisches Therapie-Album in reduziert-kargen Soundscapes aus Club, Ambient und Nu R'n'B.

Jürgen Parr

Stand: 25.06.2024

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