Kinder haften für ihre Eltern

„Zusammen sind wir Helden" von Jeff Zentner, aus dem Englischen von Ingo Herzke, Carlsen, 366 S., 17,99 Euro (ab 15 J.)

Eltern haben es nicht immer leicht mit ihren Kindern. Schlimmer jedoch ist der gegenteilige Fall: Kinder, die mit ihren Eltern gestraft sind. Die in fast unvorstellbaren Verhältnissen aufwachsen und niemanden haben, der für sie sorgt.
Lydia, Dill und Travis sind ein ungleiches Trio. Lydia stammt aus einem reichen und behüteten Elternhaus und feilt bereits an ihrer Karriere als Modebloggerin inklusive baldigem Umzug nach New York. An Dill und Travis hängt ihre Herkunft wie ein Mühlstein. Kein Geld, keine Unterstützung, keine Perspektiven. Trotz Intelligenz und verschiedener Begabungen werden sie wohl ewig in ihrem Kleinstadtnest hängen bleiben.
In Travis' Zuhause regiert die Gewalt, Travis flüchtet sich in Fantasywelten. Noch mehr Außenseiter ist Dill. Sein Vater, ein religiöser Fanatiker, sitzt wegen Kinderpornografie im Knast. Dills Mutter, ebenfalls tief religiös, schuftet sich kaputt, um den Schuldenberg abzutragen.
Dass ausgerechnet diese drei sehr unterschiedlichen Charaktere derart unzertrennlich sein sollen, wirkt etwas unglaubwürdig. In allen anderen Belangen macht es sich Zentner nicht so einfach und lässt den Leser spüren, wie böse das Schicksal zuschlagen kann und dass liebgewonnenen Helden nicht immer in einem weichen Auffangnetz landen. Vor allem speist er sein Publikum nicht mit Vereinfachungen ab. Probleme lösen sich nicht, indem man nur mal vernünftig darüber redet. Jugendliche können ihre Eltern nicht retten. Im besten Fall retten sie sich selbst. Weil die Gefühle und Lebensumstände der Protagonisten so echt wirken, die dumpfe Kleinstadt so bigott und spießig, die Aussichten so trist, fühlt der Leser besonders stark mit. Die Geschichte berührt und schickt uns auf eine Achterbahnfahrt aus Wut, Trauer und – Hoffnung.

Udo Bartsch