Buch
 

Die Six-Dynastie

Die vielen Leben des Jan Six

„Die vielen Leben des Jan Six – Geschichte einer Amsterdamer Dynastie", von Geert Mak, Siedler Verlag, 512 S., 26,99 Euro

Was für ein Epos! Die Geschichte einer Amsterdamer Dynastie kann locker mit den Buddenbrocks mithalten und zählt schon jetzt für mich zu den besten Büchern des Jahres. Der Publizist Geert Mak wird auch der „Geschichtslehrer der Niederländer" genannt. Er folgt in seinem neuesten Werk den Spuren der Familie Six. Deren Vorfahren stammten aus französischem Adel und zogen während der Religionskriege Ende des 16. Jahrhunderts nach Amsterdam, das damals eine aufstrebende Welthandelsmetropole und protestantische Hochburg war. Tausende von Flüchtlingen sorgten dafür, dass sich die Stadt an der Schwelle zwischen Mittelalter und Moderne aus einer sumpfigen Siedlung zu einer der bedeutendsten Städte Europas entwickeln konnte. Schnell wurde die Familie zu einer der politisch, kulturell und sozial bedeutendsten Familien des Landes. Der erste Jan, Schwiegersohn des berühmten Mediziners und Amsterdamer Stadtrates und Bürgermeisters Nicolaes Tulp, wird mit großem erzählerischem Talent aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, was dem Leser ein rundes und verständliches Bild von ihm und dem Leben im Goldenen Zeitalter darstellt. Er legte als Schöngeist die Grundlagen für die wertvolle und einzigartige Kunstsammlung der Familie, er bestimmte als Schöffe und Ratsmitglied das Leben der Stadt Amsterdam, kaufte Land und Güter und blieb trotz allen Reichtums und aller Macht ein normaler Mensch, neugierig und nonkonformistisch. Als sehr guter Beobachter und Zuschauer kann man sich beim Lesen hervorragend in ihn hineinversetzen. Durch seine Augen kann man das alte Amsterdam mit seinem aufstrebenden Bürgertum, die Gepflogenheiten und Eigenheiten seines Freundes Rembrandts, des Stadtmediziners Tulp, des Dichters Vondel und anderer Größen dieser Zeit genießen. Und so geht es weiter durch alle Generationen, deren Erstgeborener immer Jan getauft wurde und dem eine besondere Familienverantwortung auferlegt wurde. Bis in das 20.Jahrhundert stand Familienpolitik an erster Stelle. Hauptziel war es immer, das Vermögen, den Ruf und den Lebensstandard der Familie zu erhalten. Das führte zu vielen Zweck-Ehen, zu unverheirateten Töchtern, aber auch zum Verstecken der wertvollen Gemäldesammlung während der Nazibesatzung. Der große Verdienst des Autors besteht darin, die Familiengeschichte eng mit dem historischen Rahmen vom jeweiligen Zeitalter, Revolten, Hungersnöten, Sklavenhandel und Städtebau zu verknüpfen und ein meisterhaft erzähltes, buntes und sehr lebendiges Bild mit vielen überraschenden Details zu schaffen. Geert Mak hatte bei den Recherchen eine Sonderstellung. Er durfte im Familienhaus an der Amstel in der Familienchronik forschen, konnte in über Jahrhunderten angesammelten Alltagsgegenständen kramen, aus Kleidungsstücken, Familienschmuck, Schätzen, Notizen und Tagebüchern Geschichten zu Tage fördern. „Eine vornehme Familie schleppt einiges mit durch die Zeiten. Dieses Haus hat mehr als vierzig Zimmer, es beherbergt rund zweitausend Stiche und Gemälde und im Archiv lagern...mindestens hunderttausend Dokumente". Danke Herr Mak, schon lange hatte ich nicht mehr das Gefühl einen so wertvollen Bücherschatz mir erlesen zu dürfen (ich habe dafür aber auch Monate gebraucht). Einfach nur gigantisch gehaltvoll!


chriso

Stand: 10.10.2017

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