Familienthriller

„Was ich euch nicht erzählte", Von Celeste Ng, dtv, 279 S., 19,90 Euro

Bücher mit ermordeten oder verschwundenen Kindern mag ich als Mutter eigentlich gar nicht lesen... Und gegen Literatur aus Amerika habe ich so meine ganz persönliche Abneigung. Diesen Thriller jedoch, ein New York Times-Bestseller aus Ohio, kann ich wirklich empfehlen, trotz der verschwundenen Lydia Lee. Die Handlung spielt in den Siebzigern. Der angehende Einwanderer der zweiten Generation und Geschichtsprofessor James Lee fühlt sich sehr exotisch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, seine chinesischen Wurzeln sind für alle sichtbar. Extreme Anpassung bestimmt das Familienleben, welches aus den Fugen gerät, als die 16-jährige Lydia spurlos verschwindet und zwei Tage später tot aufgefunden wird. Während der Vater in seiner Trauer sofort in eine Affäre flieht, glaubt der Rest der Familie an ein Fremdverschulden. Parallel laufen verschiedene Handlungsstränge: die Ermittlung, das Aufarbeiten in der Familie und als Hintergrund die Geschichte der Kindheit der Eltern. Dieses Konglomerat erzeugt im Leser ein Verständnis für die Situation in der sich Lydia befunden haben muss, die Familiendynamik, die erdrückende Liebe und endlosen Lügen. Trotz des Todesfalls absolut lesbar für Mütter, da es weniger darum geht was geschehen ist, sondern mehr warum. Die Anspannung die vorherrscht wird glaubhaft vermittelt, die Gefühle der Familienmitglieder sind so eindrücklich geschildert, dass man sich dem Sog des Buches nicht entziehen kann. Und das alles in einer brillanten Sprache. Perfekt!
Chriso