„Der Taubentunnel" von John le Carré, Ullstein 2016, Hardcover, 381 Seiten, 22,00 Euro
Eine Biographie, die in der Art der Präsentation erfrischend lebendig ist und sich jeder Konvention widersetzend ist: das ist „Der Taubentunnel", untertitelt mit „Geschichten aus meinem Leben" von John le Carré. 1931 in Poole, Dorset, unter dem Namen David Cornwell geboren, war es Anfang der sechziger Jahre der Roman „Der Spion, der aus der Kälte kam", der sein weiteres Leben bestimmen sollte. Er sagt selbst, dass es ein Leben vor und nach diesem, seinem dritten Roman gab, wobei die ersten beiden durchaus gute und solide Kriminalgeschichten sind (in denen übrigens ein gewisser George Smiley ermittelt!). In den Köpfen der meisten altersmäßigen Lese-Weggefährten mag dieser Einschnitt stimmen, später gab es dann wohl ein Vorher und Nachher bei „Dame, König, As, Spion", unterstützt dadurch, dass die BBC den Stoff mit Alec Guinness in eine kongeniale, mehrteilige Verfilmung umsetzte.
Es ist zu vermerken: das ein oder andere Buch sollte der Leser von „Der Taubentunnel" vielleicht besser gelesen haben, oder zumindest etwas davon gehört haben, oder aber auch nur (und die meisten sind es) deren Verfilmung gesehen haben. John le Carré bleibt ganz eng bei sich. Mit Understatement und mit Humor schildert er in fast vierzig Episoden Begegnungen und Bemerkenswertes aus seinem Leben, Treffen mit hochrangigen Politikern in politisch schwierigen Zeiten, Recherche für Romane in Krisengebieten. Und immer nimmt er sich angenehm zurück, lässt den Leser teilhaben an seinen damaligen Überlegungen, wie etwa eine Figur in einem Roman zu gestalten sei und welche realen und doch veränderten Vorbilder sie haben. „Der Taubentunnel" legt Zeugnis ab von einem akribisch arbeitenden Autor, mit einem, so ist es auch auf dem Buchumschlag vermerkt, „untrüglichen Gespür für Macht und Verrat". Sein Roman „Marionetten", der die Hintergründe von 9/11 durchleuchtet, steht dafür als eindringliches Beispiel.
Doch auch wer ohne geheimdienstliche (Literatur-)Vorbildung ist, liest „Der Taubentunnel" mit Gewinn, denn er dokumentiert Zeitgeschichte und politisch Hintergründiges. John le Carré ist eben ein ganz genauer Beobachter und Analyst. Und folgerichtig darf auch die neueste Romanankündigung mit größter Spannung und Ungeduld erwartet werden: am 13. Oktober 2017 – in den Tagen der Frankfurter Buchmesse, erscheint ein neuer George Smiley-Roman!
Rainer Scheer
Stand: 12.07.2017
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