Buch
 

Hinterland-Perspektive

Deutschland ab vom Wege

„Deutschland ab vom Wege", von Henning Sußebach, Rowohlt, 185 S., 19,95 Euro

Echte Erkenntnisse findet man oft nur außerhalb der eigenen Komfortzone. Für viele würde das bedeuten: Abseits der 6,2 Prozent Deutschlands, die mit Asphalt versiegelt sind. Die restlichen 93,8 Prozent waren es auch, die den „Zeit"-Redakteur Henning Sußebach lockten. Deshalb begab er sich zu Fuß auf eine Wanderung durch das deutsche Hinterland, wobei er so selten wie nötig geteerte Wege berühren wollte. Der preisgekrönte Journalist, der lange in Berlin wohnte und heute mit seiner Familie in einer Kleinstadt bei Hamburg lebt, begann seine Reise an der Ostsee und lief mit Ranzen und Zelt auf dem Rücken 50 Tage lang querfeldein, bis er die Zugspitze erreichte. 800 km Luftlinie, 1200 km Fußweg – und viele Gelegenheiten, die Perspektive zu verändern. Unterwegs wurde dem geübten Zugpendler und Konferenzteilnehmer schnell klar, dass er durch das Verlassen seiner üblichen Spurrinnen Selbstverständlichkeit gegen Selbsterkenntnis und Verständnis eingetauscht hatte. Auf seinem Marsch durchs Hinterland und „quer zu den Hasslinien" der Republik begegnen dem 1972 geborenen Sußebach Menschen, für deren Anschauungen er zwischen Wald und Flur plötzlich wesentlich mehr Verständnis aufbringt als in der Stadt: Ein Viehzüchter, der wie ein AfD-Wähler klingt, in Wahrheit jedoch vor allem enttäuscht ist. Ein Schlachter, der sofort die Konsequenzen von Entscheidungen spürt, die in Berlin oder Brüssel getroffen werden. Ein rumänischer Mediziner und Familienvater, für den die verheißungsvolle Landarztpraxis in Deutschland zum Albtraum gerät. Außerdem trifft Sußebach Mönche, Gastwirte, Schiffer, Archäologen und Golfer. Jeder Einblick in ein fremdes Leben – in eine persönliche Geschichte – und in Sußebachs eigene Gedanken macht „Deutschland ab vom Wege" zu einem stark geschriebenen Portrait der Natur und der Menschen jenseits unserer gut vernetzten Städte – und zu einer Erinnerung daran, dass wir uns alle hin und wieder klarmachen sollten, wie festgefahren unsere Alltage und Standpunkte sind.

Christian Endres

Stand: 12.06.2017

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