„Cavaliersreise" von Mackenzi Lee, aus dem Englischen von Gesine Schröder, Königskinder, 494 S., 19,99 Euro (ab 14 J.)
Sprachkenntnisse erweitern, kulturelle Bildung vertiefen, fremde Sitten und Gebräuche kennenlernen: soweit der offizielle Zweck von Kavalierstouren. Die monatelangen Europareisen kamen Ende des 17. Jahrhunderts bei jungen englischen Adligen mächtig in Mode und können als Vorläufer des modernen Tourismus gelten. Und sogar als Vorläufer des Ballermann-Tourismus. Denn einen inoffiziellen Zweck gab es auch: ein letztes Mal die Sau rauslassen, bevor man zu Hause verantwortungsvolles Mitglied der Gesellschaft wird. Für Henry Montague, genannt Monty, ist „Verantwortung" allerdings ein Fremdwort. Geistige Inhalte faszinieren ihn nur in ihrer alkoholischer Form, an neuen Bekanntschaften ist er insofern interessiert, als es sich um hübsche, junge Frauen handelt, mit denen er anbändeln kann. Oder noch lieber sogar mit hübschen, jungen Männern. Was allerdings zu seiner Zeit ein riskantes Kapitalverbrechen darstellt, selbst für einen Adligen.
Die Reise scheint einen unglücklichen Verlauf zu nehmen, da Montys Vater seinem Sohn einen beflissenen Aufpasser an die Seite stellt. Rettung naht ausgerechnet in Form von Banditen. Bei einem Überfall wird die Gruppe getrennt, Monty reist mit seiner Schwester Felicity und seinem Jugendfreund (und zugleich seiner unerfüllten Liebe) Percy allein weiter. Was als Adoleszenzroman beginnt, nimmt bald immer abenteuerlichere Züge an.
Die Räuber, Piraten und Spukereignisse hätten in dieser Vielzahl gar nicht sein müssen, denn spannend ist der Roman vor allem wegen anderer Qualitäten. Gespickt mit interessanten gesellschaftsgeschichtlichen Details und sehr sachkundig widmet sich „Cavaliersreise" einem unverbrauchten Thema. Niemals wirkt das Erzählte muffig, viele Aspekte sind heute noch aktuell. Die unterhaltsame, hochironische Erzählweise lässt keine Langeweile aufkommen. Die Charaktere besitzen Tiefe, die Gefühlswelt der Figuren wirkt glaubhaft. Kurzum: Bessere Jugendbücher findet man selten.
Udo Bartsch
Stand: 12.06.2017
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