„Alles, was ich am Strand gefunden habe", von Cynan Jones, Liebeskind, 237 S., 20 Euro
Es ist immer erfreulich, wenn ein Verlag an einem besonderen Autor festhält. Wie Liebeskind, wo man mit „Graben" 2015 einen ersten schmalen Roman des 1975 geborenen Walisers Cynan Jones auf Deutsch zugänglich machte. Obwohl sich jenes traurige, brutale Büchlein über die Natur, den Menschen und seinen Platz in der Welt letztlich in seiner eigenen Finsternis und Seltsamkeit verlor, hat man sich den Namen Cynan Jones wegen der präzisen Prosa und der umwerfenden Charakterisierungen gemerkt. Unter dem Titel „Alles, was ich am Strand gefunden habe" ist nun das zweite Buch von Jones bei Liebeskind herausgekommen, das stilistisch wieder vollauf mundet – und eine ganze Spur zugänglicher geriet. Diesmal widmet sich Jones zerrissenen Männern, die sich einreden, nur eine einzige Chance zu brauchen: Dem polnischen Einwanderer Grzegorz, der in einem modernen walisischen Schlachthof arbeitet und mit seiner Familie in einem Gemeinschaftshaus wohnt, in dem keiner von der Vergangenheit in der armen, alten Heimat loskommt. Und dem verantwortungsbewussten, methodischen Fischer und Jäger Holden, der die Frau seines verstorbenen besten Freundes liebt und dem lediglich das nötige Geld fehlt, um die Verantwortung für sie und ihren Sohn zu übernehmen. Beide grüblerischen Männer kommen aufgrund ihrer bodenständigen Sehnsüchte mit gut organisierten Drogenschmugglern in Kontakt, und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Jones indes nimmt sich viel Zeit, um seine Protagonisten zu sondieren und zu positionieren. Zugleich portraitiert und kritisiert er die zum Teil wahnwitzigen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Entwicklungen unserer Zeit. Auf der anderen Seite dieser eindringlichen Studie menschlicher Dilemmas und Antriebskräfte steht irgendwann eine spannende Krimi-Handlung an der rauen Küste im britischen Süden. Der Showdown zieht sich leider etwas, doch über weite Strecken ist Cynan Jones' „Alles, was ich am Strand gefunden habe" ein ungeheuer intensiver, grandios geschriebener Roman.
Christian Endres
Stand: 10.05.2017
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