„H wie Habicht", von Helen Macdonald, Ullstein Verlag, 411 S., 12 Euro
Um dieses Buch bin ich schon länger herumgeschlichen, die Vorankündigungen klangen fabelhaft. Als es jetzt als Taschenbuch erschien, habe ich zugegriffen... und war davon tagelang „weggebeamt"! Schon als Kind ist Helen von Greifvögeln beeindruckt und statt, wie andere Mädchen in ihrem Alter, Pferdeposter aufzuhängen, treibt sie sich bei Falknern herum und kennt sich schon früh mit Greifvögeln aus. Als ihr Vater, zu dem sie eine intensive Beziehung hatte, überraschend stirbt, fällt sie in eine tiefe Trauer. Sie kann sie nicht mit Familie oder Arbeit bewältigen und beschließt, einen Habicht zu zähmen. Ein Ding der Unmöglichkeit, dagegen sind Falken putzige Tierchen. Sie besorgt sich einen jungen Vogel und zähmt ihn vollkommen abgeschieden in ihrem Haus. Nach einiger Zeit erreicht er sein Fluggewicht und sie beginnt mit ihm, im Freien zu trainieren. Alles an diesem Tier ist auf das Jagen und Töten ausgerichtet - und doch entwickelt Helen zu Mabel, wie sie das Habichtweibchen nennt, eine fast menschliche Beziehung. Faszinierend beschreibt sie, wie sie sich langsam selbst in einen Habicht verwandelt, wie ein Raubvogel frisst und lebt und Mabel auf ihren Beutezügen in der Landschaft rund um Cambridge nachjagt. Die Historikerin, deren Roman sehr autobiographisch ist, schafft es, nicht nur die Wissenschaftlerin durchblicken zu lassen, die einem sehr viel Informationen und Kulturgeschichte über die Falknerei vermittelt. Sie beschreibt die Erlebnisse in der Natur unglaublich schön und in einer gigantischen Sprache, so dass man das Buch noch ein paar Mal lesen müsste, um alles wirklich zu erfassen. Und sie trifft den Ton ihrer Trauer so massiv, dass man oft richtig mitleidet. Und als ob das nicht schon reichen würde, packt sie noch ein stilistisches Element dazu. Über T.H. White, der in den vierziger Jahren als Lehrer in England unterrichtete und den Versuch, einen Habicht zu zähmen unternahm, verfasst sie eine Mini-Biographie inmitten ihrer eigenen Erlebnisse. White ist bei seiner Zähmungsaktion gnadenlos gescheitert und das liest sich grausam, aber es offenbart den Wahnsinn von Helens Unternehmen, das oft einem Thriller gleicht.
Selten habe ich ein so faszinierendes und wunderbar geschriebenes Werk gelesen. Es hätte auch verdient gehabt, in gebundener Form gekauft zu werden.
Chriso
Stand: 13.03.2017
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