Im Norden Südafrikas

„Weinende Wasser" von Karin Brynard: Bastei Lübbe, TB, 543 Seiten, 9,99 Euro

Er kommt aus der Hauptstadt des Verbrechens in Südafrika: Inspector Albertus Beeslaar hat sich von Johannisburg in den Norden des Landes versetzen lassen. Seine Intention, in der Provinz Nordkap nahe an der Grenze zur Kalahari-Wüste – nach zwanzig Jahren bei der Mordkommission in der Hauptstadt – einen ruhigeren Job erleben zu dürfen, erfüllt sich nicht. Der Anruf, der das Drama lostritt, kommt um die Mittagszeit. Gemeldet wird der Mord an einer Frau und einem Kind auf der Huilwater Farm, vierzig Kilometer entfernt im ziemlich einsamen Gelände. Der Nachbar hat die beiden Toten entdeckt. Nachdem Beeslaar die beiden Leichen gesehen hat, weiß er sofort, dass die Theorien von einem zufälligen Raubmord oder einer Verbindung zu einer Bande von Viehdieben sicher nicht lange Bestand haben werden...
Vormals als politische Journalistin tätig, begann Karin Brynard 2009 mit der Reihe um „den großen Mann aus der großen Stadt", denn so wird Beeslaar von seinen Kollegen genannt. Weitere Bände werden nun wohl folgen, denn der von Kollege Deon Meyer als „brillant" bewertete Debütroman überzeugt in vielerlei Hinsicht. Es ist nicht nur die Figurenzeichnung von Beeslaar, der seine ganz eigene Geschichte mit an seinen neuen Arbeitsplatz bringt, es ist nicht allein das eigentliche Krimipuzzle, das es zu lösen gilt, nein, „Weinende Wasser" beschreibt vor allem ein Land, das von den Menschen, die dort leben, sehr viel abverlangt. Es ist nicht der Touri-Ausflug nach Südafrika mit einem Multi-Kulti Johannisburg, sondern es ist vor allem ein Land, in dem alte Kräfte noch immer wirken, ewig Gestrige die Klappe aufreißen (was natürlich nicht allein ein Problem von Südafrika ist), und ein steter Kampf um jedwede auf den Weg gebrachte Entwicklung ausgefochten werden muss. Das ist stark, und der Leser wird emotional mit hineingezogen. Brynards Beschreibungen des Landes machen die Provinz Nordkap fühl- und erlebbar. Und auch wenn Beeslaar selbst den Eindruck hat, mit seinen Ermittlungen nicht voran zu kommen, scheint er doch näher an den Verantwortlichen dran zu sein, als er es selbst bemerken kann. Denn seine Widersacher reagieren...
Richtig starkes Debüt einer neuen Reihe, die den Blick auf Südafrika kenntnisreich erweitert. Jetzt noch eine gute Flasche Wein aus der Kapregion, dann steht einem wunderbaren Krimiabend eigentlich nichts mehr im Wege.

Rainer Scheer