„Der letzte Engel. Der Ruf aus dem Eis" von Zoran Drvenkar, cbj, 540 S., 17,99 Euro (ab 16 J.)
Schreiben kann er. Wuchtig, poetisch, begnadet. Zoran Drvenkar gehört im Jugendbuchbereich zu den Autoren mit einer charakteristischen Stimme. „Der letzte Engel" liest sich rasant wie ein Thriller. Die Handlung springt von Ort zu Ort, spult vor und zurück, folgt nicht der Chronologie.
Alle paar Seiten wechselt die Perspektive. Dabei hat jede Figur ihren eigenen Ton, eine eigene Stimme, ist wie eine neue Melodie im mehrstimmigen Vielklang. Auf mehr als 500 Seiten versammelt Drvenkar viel Personal. Vermeintliche Randcharaktere schwingen sich zu entscheidenden Handlungsträgern auf und umgekehrt. Eine Hauptfigur lässt sich in diesem Reigen kaum ausmachen. Am ehesten ist es der 16jährige Motte, der eines Tages als Engel aufwacht, stirbt, seine Flügel einbüßt und wieder lebendig wird.
Verschiedene Gruppierungen sind in den Kampf um das Flügelpaar verwickelt. Eine düstere Prophezeiung besagt gar, das Schicksal der Menschheit stehe auf dem Spiel. Von einer warmen Adria-Insel geht es ins ewige Eis. Der entscheidende Showdown vollzieht sich in bizarrer Schneelandschaft. Die komplexen Verwicklungen dürften selbst manchen erwachsenen Leser überfordern, insbesondere wenn er Band eins der Dilogie nicht kennt.
Phasenweise erscheint die Handlung etwas überdehnt, und die Auflösung wirkt angesichts der zuvor aufgetürmten Probleme etwas schnell. Doch die überragende Form, das harmonische Wechselspiel zwischen spannender Dramatik, dunkler Mystik und trockenem Humor ist es, was den Leser vorwärts treibt und neugierig auf jede weitere Seite macht. Ein eigenwilliger und faszinierender Roman.
Udo Bartsch
Stand: 21.07.2015
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