Film
 

„Man muss sich diesen Film wie ein Bild von M.C. Escher vorstellen.“

Tiere; Birgit Minichmayr

Interview mit Birgit Minichmayr zu „Tiere"
Filmstart: 16.11.

Mit „Alle anderen" von „Toni Erdmann"-Regisseurin Maren Ade gelang Birgit Minichmayr 2009 der Durchbruch, auf der Berlinale wurde sie dafür mit einem Bären ausgezeichnet. Zu den weiteren Filmen der Österreicherin gehören „Das Parfum" von Tom Tykwer, „Kirschblüten" von Doris Dörrie, „Das weiße Band" von Michael Haneke oder „Unter Feinden" von Lars Becker. Zu den Theaterarbeiten gehören Engagements an der Berliner Volksbühne, am Wiener Burgtheater sowie dem Münchner Residenztheater. Bevor sie im Januar als Polizistin an der Seite von Moritz Bleibtreu in „Nur Gott kann mir vergeben" zu sehen ist, spielt Minichmayr nun in dem überaus geheimnisvollen Liebesdrama „Tiere" eine Frau, in deren Eifersucht sich Wirklichkeit und Wahn vermischen. Mit der Schauspielerin unterhielt sich unser Mitarbeiter Dieter Oßwald.

Doppelpunkt: Frau Minichmayr, was hat Sie an dieser Rolle gereizt?
Minichmayr: Beim Lesen des Drehbuchs fand ich diese Geschichte extrem spannend und undurchsichtig. Zudem ist sie unglaublich humorvoll. Was genau der ausschlaggebende Punkt war, ist für mich immer schwierig zu sagen. Ich hatte einfach große Lust auf dieses Projekt.
Doppelpunkt: „Extrem undurchsichtig" klingt zutreffend. Haben Sie alles verstanden, worum es hier geht?
Minichmayr: Am Anfang war mir überhaupt gar nichts klar. Ich wusste nicht, was das alles sein soll. Bis ich dann verstanden habe, dass es darum gar nicht geht. Regisseur Greg Zglinski gibt dazu diesen sehr schönen Ratschlag: Man muss sich den Film wie ein Bild von M.C. Escher vorstellen, in dem Stufen in verschiedene Richtungen gehen. Aus der Nähe betrachtet wirkt alles sehr logisch, sobald man einen Schritt zurückgeht, sieht man nur noch Chaos.
Doppelpunkt: Mögen Sie solche Rätsel auf der Leinwand?
Minichmayr: Nicht in jedem Fall. Es gibt manchmal schon so eine enorm eitle Koketterie mit dem Nicht-Verstehen. Wo es zur Attitüde wird, das Publikum im Ungefähren zu lassen nach dem Motto „Ätsch, das ist etwas ganz Kryptisches. Das ist total Kunst. Und zwar deswegen, weil ihr es überhaupt nicht versteht!". Diese Tendenz hat „Tiere" für mich nie gehabt. Es ist vielmehr ein spielerischer Umgang mit dem Medium Film, wo es zudem etliche Kino-Zitate zu entdecken gibt.
Doppelpunkt: Ist es schwieriger, wenn man als Schauspieler im Nebel unterwegs ist und nicht so richtig weiß, wohin die Reise geht?
Minichmayr: Ja, allerdings ist es vor allem für den Regisseur viel schwieriger. Beim Drehen habe ich bisweilen zu Greg gesagt: „Schneiden möchte ich diesen Film nicht!". Es ist gewiss keine leichte Aufgabe, die richtige Balance zwischen diesem Paar zu finden und zu halten. Treibt der Mann die Frau in den Wahnsinn? Oder ist es umgekehrt? Für mich steht das sinnbildlich für all die Gefühle, die auftauchen, wenn man mit einem Betrug in der Beziehung konfrontiert wird. Diese Erschütterung der eigenen Realität sowie jenen ungefähren Umgang mit der Wahrheit kenne ich durchaus aus eigener Erfahrung.
Doppelpunkt: Erzählen Sie mehr davon...
Minichmayr: Ich kann anders mit einem Betrug umgehen, wenn man mir das sofort eingesteht als wenn erst noch zur Ablenkung auf meiner Intuition herumgetrampelt wird bis dann doch alles gestanden wird. Auf mein intuitives Gefühl verlasse ich mich sehr stark. Allerdings war ich im Internet auch schon bei Anbietern zur Handy-Ortung. Natürlich plaudere ich nicht aus, um wen es sich dabei gehandelt hat. (Lacht)
Doppelpunkt: Wie gehen Sie damit um, wenn dieser ambitionierte Film beim Publikum nicht so gut ankommt wie der Popcorn-Krimi „Nur Gott kann mich richten", mit dem Sie im Januar im Kino sind?
Minichmayr: Für mich ist es ein echtes Glück, in solch völlig verschiedenen Projekten spielen zu dürfen. Ich habe kein Problem damit, dass man Dinge nicht mag. Auch meine Person kann nicht allen gefallen. Das ist etwas, was man sehr schnell kapiert, wenn man in diesem Beruf anfängt. Darum kann es auch gar nicht gehen. Es gibt große Schauspiel-Karrieren, die darauf basieren, bei Premieren ausgebuht worden zu sein.
Doppelpunkt: Sind sperrige Stoffe auf dem Rückzug?
Minichmayr: Mein Beruf wird schon immer merkantiler. Auch beim Theater nimmt das Schielen nach Auslastung zu, was auf Kosten von sperrigeren, risikofreudigeren Projekten geht. Völlig unverständlich sind für mich die neuen Streaming-Angebote von Bühnen: Wenn man dem Theater etwas wegnehmen will, wo es in seiner Eigentlichkeit so dasteht wie kein anderes Medium, dann ist es doch der Live-Augenblick.
Doppelpunkt: Stehen Sie lieber auf der Bühne als vor der Kamera?
Minichmayr: Mir macht es total Spaß, vor der Kamera zu arbeiten. Aber ich brauche immer wieder dieses Heimkehren zu meinem eigentlichen Beruf. Ich genieße es, zwei Stunden lang eine Rolle durchzuspielen. Und sie nicht, wie im Film, auf sechs Wochen verteilt nur in Fetzen darzustellen. Das lange Warten bei Dreharbeiten ist leider kein Klischee, sondern Wirklichkeit. Ich habe früher stark darunter gelitten, dass es im Film immer nur darum geht, die nächste Szene im Kasten zu haben. Abends bin ich im Bett gelegen und hab mir gedacht, Scheiße, das habe ich vollkommen falsch gespielt. Das hat mich fast zwangsneurotisch besetzt, wie ein Dämon. Heute mache ich beides sehr gern, Filme und Theater.
Doppelpunkt: Was ist die wichtigste Qualität in Ihrem Beruf?
Minichmayr: Man braucht viel Hingabe und eine gewisse Durchlässigkeit. Man darf nicht zu verkopft sein, sondern sollte in einer Situation immer auf alle Dinge reagieren können.

Dieter Oßwald

Stand: 13.11.2017

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