In Zeiten des abnehmenden Lichts

Filmstart: 1.6.; Regie: Matti Geschonneck
Darsteller: Bruno Ganz, Sylvester Groth, Hildegard Schmal, Alexander Fehling

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben? Für Gorbatschow dürfte der eingefleischte SED-Funktionär Wilhelm Powileit sicher nichts übrig haben. Aber dass sein Sohn Sascha zum 90. Geburtstag nicht pünktlich erscheint, das ärgert den Jubilar enorm. Noch mehr Verdruss bereitet dem Partei-Veteranen die politische Lage anno 1989. Immer mehr DDR-Bürger gehen nach drüben, die sich auflösenden Grenzen der Bruderländer machen's möglich. Auch Sascha hat längst die Chance zur Republikflucht genutzt. Die schockierende Wahrheit will die Familie dem Alten so lange wie möglich verheimlichen. Jetzt wird erst einmal gefeiert. Die Partei schickt diesmal zwar nur einen drittklassigen Bonzen zur obligatorischen Ordensverleihung, aber gut. Die Abordnung seines einstigen Molkerei-Betriebs meldet stolz Erfolge: „Ostkäse, der wie West-Käse schmeckt!". Die Stimmung steigt, ebenso der Alkoholpegel der Gäste. Doch das Fehlen von Sascha kann nicht endlos vertuscht werden. Drehbuch-Könner Wolfgang Kohlhaase hat den Besteller von Eugen Ruge rigoros zurechtgestutzt und beschränkt die Story auf einen einzigen Tag an nur einem Ort. Wie üblich präsentiert der alte Skript-Hase Kohlhaase mit leichter Hand ein plausibel entwickeltes Figurenkabinett, das er souverän in situationskomische Situationen schliddern lässt sowie mit geschliffenen Dialogen der wortwitzigen Art ausstattet. Als ganz besonderer Trumpf erweist: Bruno Ganz als stalinistischer Sturkopf gibt mit sichtlichem Vergnügen dem Affen Zucker. Einer wie er hat auch als 76-Jähriger im Feinripp-Unterhemd eine Grandezza, die eine wahre Leinwand-Ikone ausmacht. Als strammer Parteisoldat Wilhelm hat er zudem die endgültige Wahrheit auf alle Fragen parat: „Das Problem ist, dass das Problem das Problem ist."

Dieter Oßwald