Ich, Daniel Blake

Filmstart: 24.11.; Regie: Ken Loach
Darsteller: Dave Johns, Hayley Squires, Dylan McKiernan

Ken Loach (80) bleibt seinem Lebensthema treu und präsentiert ein Sozialdrama wie aus dem Bilderbuch. Sein Titelheld, ein Bauschreiner, hat ein Leben lang geschuftet. Als die Ärzte ein Herzproblem feststellen, beginnt ein kafkaesker Kampf gegen die bürokratischen Windmühlen des Sozialstaates. Sein Antrag auf Berufsunfähigkeit wird trotz Gutachten abgelehnt. Ein Widerspruch dagegen ist erst möglich, wenn ein zweiter Sachbearbeiter den Fall prüft – und das kann dauern. Als er persönlich im Job-Center vorspricht, wird er abwimmelnd auf die Formulare im Internet verwiesen – dass einer wie er hat überhaupt keine Ahnung von Computern hat, interessiert den Amtsschimmel so wenig wie jene alleinerziehende Mutter, die ihren Beratungstermin um wenige Minuten verpasst hat und völlig mittellos vor die Tür geworfen wird. Für Blake ist es keine Frage, dass er der verzweifelten Katie helfen wird. Solidarität unter Menschen ist machbar, der Staat indes macht kaltherzig Dienst nach Vorschrift. Immer wieder zeigt Loach in ganz kleinen Beispielen, wie selbstverständlich jene, die wenig haben, den anderen helfen. Das System des Sozialstaats hingegen versagt, verschanzt sich hinter Paragraphen und lässt die unschuldig in Not Geratenen im Stich. Um zu überleben, bleibt der verzweifelten Mutter am Ende nur der Strich. Solch ein Szenario mag man als sozialromantisches Betroffenheitskino abtun, und tatsächlich knirscht es bisweilen reichlich im Klischeegebälk. Und doch ist es tief berührend, mit welcher Wut, Wahrhaftigkeit und zugleich Witz dieser Altmeister Ken Loach seinem cineastischen Thema treu bleibt: Die Würde ist kein Konjunktiv. In Cannes gab es dafür Gold. Sein vermutlich wirklich letztes Werk könnte ebenso gut den Titel „Ich, Ken Loach" tragen.

Dieter Oßwald