Film
 

„Mangelnde Perfektion ist eine gute Sache.“

Regisseur Stephen Frears

Interview mit Stephen Frears zu „Florence Foster Jenkins"
Filmstart: 24.11.

Mit dem „Wunderbaren Waschsalon" machte Stephen Frears auf sich aufmerksam. Provokativ blieb der Brite anschließend mit dem Schwulendrama „Prick up your Ears" oder seinem subversiven England-Bild in „Sammy und Rosie tun es". Sein Hollywood-Ausflug mit „Gefährliche Liebschaften" geriet kommerziell und künstlerisch zum großen Erfolg, inklusive Oscar-Segen. Vor zehn Jahren schließlich folgte „Die Queen", ein genialer Blick durch das royale Schlüsselloch des Buckingham Palace. Helen Mirren bescherte ihre königliche Rolle einen Oscar. Der könnte nun auch Meryl Streep winken. Sie gibt in „Florence Foster Jenkins" jene selbsternannte Diva, die als schlechteste Sängerin der Welt für Furore sorgte und im New York der 40-er Jahre zur Kultfigur avancierte.

Doppelpunkt: Mister Frears, wenn Sie die Wahl hätten, würden Sie lieber mit Maria Callas oder Florence Foster Jenkins in ein Pub gehen?
Frears: Die würden kaum in ein Pub gehen. Natürlich würde ich mich klar für die Callas entscheiden. Aber fragen Sie mich nicht, weshalb.
Doppelpunkt: Immerhin scheint Florence Foster Jenkins so interessant, dass Sie einen Film über die Dame machten...
Frears: Ich habe sehr gerne diesen Film über Florence Foster Jenkins gemacht. Ihr Gesang war völlig lächerlich. Aber zugleich war sie sehr berührend und mutig.
Doppelpunkt: Das Publikum scheint Versager zu mögen, das war beim talentlosen Ski-Springer „Eddie the Eagle" ganz ähnlich...
Frears: Mangelnde Perfektion ist eine gute Sache.
Doppelpunkt: Sie haben schon etliche Bio-Pics gedreht. Ist das wahre Leben interessanter als es sich ein Drehbuch-Autor ausdenken kann?
Frears: Ich glaube, bei Geschichten, die auf dem wahren Leben basieren, kann man mehr Fantasie einsetzen als bei reiner Fiktion. Bloße Fiktion ist eine leichte Übung, da lässt sich alles ohne große Probleme machen. Wenn man es hingegen mit dem realen Leben zu tun hat, gibt es Grenzen. Auf dieser Basis seine Fantasie einzusetzen, scheint mir viel interessanter.
Doppelpunkt: Wie wahrhaftig muss man beim Porträt realer Menschen sein? Wie viel kreative Freiheit kann man sich nehmen?
Frears: Bei meinem Film über Lance Armstrong habe ich sehr viel recherchiert, bei Florence schien mir die Vorstellungskraft ziemlich ausreichend zu sein. Ich erinnere mich an eine Podiumsdiskussion mit Oliver Hirschbiegel zu „Der Untergang" in Berlin. Dort erzählte er endlos über die ganzen Nachforschungen, die er unternommen habe. Danach fragte man mich nach den Recherchen für „Die Queen" - und ich antwortete: „Überhaupt keine!" Ich kenne die Queen mein ganzes Leben lang.
Doppelpunkt: David Bowie ist stolzer Besitzer einer Platte von Florence Foster Jenkins...
Frears: Ebenso wie Elton John. Wenn man Jenkins zum ersten Mal singen hört, ist das ein großartiges Erlebnis.
Doppelpunkt: Für manche ist es Trash, über den sich leicht lustig machen lässt.
Frears: Jenkins war ja auch lächerlich. Allerdings war sie gleichzeitig berührend. Diese Widersprüchlichkeit macht sie gerade interessant. Wobei es wichtig ist, dass man dieser Person ihre Würde lässt.
Doppelpunkt: Als Werbemittel zum Film gibt es Ohrenstöpsel...
Frears: Schockierend! (Lacht) Dafür können Sie mich aber nicht verantwortlich machen.
Doppelpunkt: Gibt es noch Personen, der Leben Sie gerne verfilmen würden? Donald Trump vielleicht? Oder Kim Jong-un?
Frears: Nein, das sind beides lächerliche Menschen. Ich wäre sehr überrascht, wenn ich bei denen etwas Großartiges entdecken würde.
Doppelpunkt: Zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie radikale, politische Film gedreht. Sind die Zeiten für dieses Kino vorüber?
Frears: Ich kann ja nur solche Filme machen, die mir angeboten werden. Und ich habe kein gutes politisches Drehbuch mehr gelesen seit „Doppelspitze" aus dem Jahr 2003. Ich würde gerne ein starkes Skript lesen, wenn Sie mir eines schicken möchten. Aber politische Filme sind sehr schwierig zu schreiben.
Doppelpunkt: Wie wichtig sind Stars in der Besetzung?
Frears: Zum einen sind Star sehr gute Schauspieler, zum anderen bringen sie die Zuschauer in die Kinos. Meryl Streep und Hugh Grant sind sozusagen meine Versicherung für diesen Film.
Doppelpunkt: Was macht einen Hugh Grant zum Star?
Frears: Hugh ist wie ein böser Junge, der nach Hause kommt - das gefällt dem Publikum sehr. Er ist wie ein verlorenes Kind, das zurückkehrt.
Doppelpunkt: Er spielt hier einen eitlen Schauspieler, wie sehr entspricht das Wirklichkeit?
Frears: Hugh ist nicht besonders eitel. Wir zeigen ja auch sein Gesicht, so wie es wirklich aussieht, ganz ohne Tricks. Und in seinem Alter sehen Menschen ebenso aus wie er.
Doppelpunkt: Haben Sie das Gefühl, noch etwas beweisen zu müssen?
Frears: Dieses Gefühl habe ich ständig. Ich bin überrascht, dass man mich in meinem Alter überhaupt noch Filme drehen lässt. Das Leben gehört heute schließlich den Jungen.
Doppelpunkt: Können Sie jeden Star bekommen, den Sie möchten?
Frears: Nein, ganz und gar nicht. Ich könnte Leonardo DiCaprio nicht bekommen.
Doppelpunkt: Würden Sie DiCaprio gerne haben?
Frears: Das käme auf die Geschichte an. Hollywood ist seine eigene Gesellschaft. Da gibt es Insider und Außenseiter - und ich gehöre zu den Außenseitern. Das heißt nicht, dass ich dort nicht wohl angesehen bin. Aber es ist komplizierter, als man sich das vorstellt.
Doppelpunkt: Was machen Sie als nächstes?
Frears: Ich drehe ein weiteres Mal mit Judi Dench. Ich weiß nicht, wie sie das mit ihren Augenproblemen hinbekommt, aber es gelingt ihr. Sie wird Queen Victoria für mich spielen.
Doppelpunkt: Sind Neflix und Co ein verlockendes Angebot für Sie? Gerade unabhängige Regisseure schwärmen von der totalen Freiheit, die man ihnen dort verspricht...
Frears: So denke ich nicht. Ich weiß nicht, was unter „totaler Freiheit" zu verstehen sein soll. Ich bin ein Regisseur, den man engagiert. Man schickt mir ein Drehbuch und fragt, ob ich das machen möchte. Wenn mir das Skript gefällt, mache ich es. Bei „Florence Foster Jenkins" gab es keinen einzigen Punkt, an dem man Kompromisse von mir verlangt hätte. Ich habe also absolut keinen Anlass, mich zu beschweren.

Dieter Oßwald

Stand: 08.11.2016

Weitere Beiträge in dieser Rubrik

Termine

April / Mai
Mo Di Mi Do Fr Sa So
    24 25 26 27 28
29 30 01 02 03 04 05
06 07 08 09 10 11 12
13 14 15 16 17 18 19
20 21 22 23 24 25 26
heute / Vorschau

Video der Woche

Am 25.4. verbindet Mine im E-Werk vielfältige Einflüsse mit verschiedenen Sounds und Instrumenten – Alles außer langweilig!

myDoppelpunkt

Bitte beachten sie unsere Datenschutzbestimmungen

Verlosungen