Filmstart: 22.9.; Regie: Anne Zohra Berrached;
Darsteller: Julia Jentsch, Bjarne Mädel, Johanna Gastdorf
Astrid (Julia Jentsch) und Markus (Bjarne Mädel) sind ein glückliches Paar wie aus dem Bilderbuch. Die Freude ist groß, als Astrid erneut schwanger ist. Dann der Schock, der Sohn wird mit Down-Syndrom auf die Welt kommen. Dem spontanen „Wir-schaffen-das" folgen bald Zweifel. Die Oma spricht schließlich das Tabu aus: Abtreibung? Dann folgt der nächste Schicksalsschlag: Bei dem Embryo wird ein schwerer Herzfehler festgestellt, die Überlebenschancen sind ungewiss. Das verzweifelte Paar deckt sich umfassend mit Informationen ein, die schwerwiegende Entscheidung über eine Abtreibung kann der Mutter freilich niemand abnehmen. Regisseurin Anne Zohra Berrached gibt sich in ihrem zweiten Spielfilm doppelt rigoros: Formal mit einer höchst unruhigen Kamera, inhaltlich mit nicht minder heftiger Intensität. Mit psychologischer Präzision zeichnet die gelernte Sozialpädagogin ihre Figuren und inszeniert mit grandioser Glaubwürdigkeit jene moralische Zwickmühle, in der die Eltern geraten. Bei dieser komplexen Gewissensfrage gibt es keine einfachen Antworten, genau das macht dieses Drama schmerzlich deutlich. Julia Jentsch, ohnehin ein schauspielerisches Chamäleon der Extraklasse, absolviert diese emotionale Tour de Force mit enormer Eindringlichkeit, ohne dabei je an Klischeeklippen zu streifen. Mit „Tatortreiniger" Bjarne Mädel bekommt sie einen ebenbürtigen Partner, der vom kleinen Softie zum großen Zweifler mutiert. Für zusätzliche Authentizität sorgt die Besetzung des medizinischen Personals: Keine Statisten, sondern echte Ärzte und Hebammen. Wie emotionslos der Kinderherzchirurg seine Diagnose stellt, lässt erschaudern. Mehr Empathie dürfte sich beim Publikum einstellen: Auf der Berlinale herrschte Bekommenheit wie selten bei einer Vorstellung - ein kollektives Kafka-Gefühl: "Im Kino gewesen. Geweint."
Dieter Oßwald
Stand: 12.09.2016
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